Menschlich.

/ Impulse

von Ignatius Löckemann

Physiotherapie kann ganz unterschiedlich aussehen. Bei mir war es z.T. eher Personaltraining. Es fand statt in einem etwas martialisch anmutenden Fitness-Studio, wo die Physio-Praxis Räume hat. Ich sah dort Leute mit schweren Medizinbällen die Treppen runter sprinten und ums Haus laufen unter harten Heavy-Metal-Klängen. Dagegen sah mein Rückentraining sicher eher putzig aus… Und vor der Tür ein Stapel Reifen, deren Größe mich an die Traktoren auf dem Hof meiner Großeltern erinnern. Ein Hashtag war draufgesprüht: Be more human. Eine Werbe-Kampagne einer Sportfirma. Menschlicher sein.

Vor fast 25 Jahren war ich erstmals in Israel-Palästina. Ein Tag in Betlehem war wichtig für mich. Mittags in der Geburtskirche, unten in der Krypta, wo der silberne Stern den Krippenstandort markiert. Plötzlich war ich ganz allein. Ich konnte mich in Ruhe hineinbeugen und meine Stirn auf den Stern legen. Ein besonderer Moment. Tief berührt. Ort der Menschwerdung Gottes. Eine Botschaft für mich: Werde Mensch. Ein Auftrag, aber auch eine Zusage: Du darfst Mensch sein. Toll. Noch heute bekomme ich Gänsehaut.

Menschlicher sein. Thomas, von dem an diesem Sonntag die Rede ist, er ist menschlich. Thomas zweifelt, er will begreifen. Er braucht das für sein Vertrauenkönnen (vgl. Joh Kapitel 20, 19-31). Und er bekommt es von Jesus. Der Zweifler, so wird er genannt. Ich mag ihn. Und Jesus mag ihn auch. Deswegen kriegt er eine Extra-Erfahrung. Manchmal ist vielleicht etwas ‚mehr Thomas‘ gar nicht schlecht; etwas mehr denken und prüfen; etwas mehr mit Abstand draufschauen und beurteilen; etwas mehr zweifeln auch (doch nicht so negativ-runterziehend); etwas weniger Sicherheit und mehr Abenteuer. Komm, ich zeig‘s dir; schau her, hier kannst du es sehen und fühlen. Kannst du’s jetzt begreifen? Dann komm

Menschlicher sein – das wünsche ich mir. In der Kirche (welcher Konfession auch immer – ich glaube, das brauchen alle). In der Politik (auch für Flüchtlinge). In der Wirtschaft (Arbeitskräfte sind auch Menschen). In der Gesellschaft (Augen-zu-drücken üben; dabei entsteht schnell ein Lächeln…).

Mensch bist du geworden, Gott. Jesus ist dein Name. Wie menschlich er doch war. Und wie er dazu ermutigt hat. Ob du uns mehr Mut geben kannst, dass wir tatsächlich etwas mehr davon wagen: Menschlicher sein. Das wäre klasse. Amen.