Halt.

/ Impulse

von Ignatius Löckemann

Mit meinem Dauer-Ticket fahre ich meistens mit dem Bus ins Büro – wie viele andere auch (derzeit allerdings sehr wenige). Die meisten kennen das, die nicht mit U-Bahnen fahren, die überall anhalten: Wenn ich aussteigen möchte, muss ich den roten Knopf drücken und irgendwo leuchtet es auf: Wagen hält. Ein roter Knopf für einen Haltewunsch.

Heute ist Karfreitag. Es ist still draußen. Keine Glocken zu hören, obwohl ich im Schatten des Doms lebe (ihr wisst schon, ihr Mainzer…). Die Kirchen kahl und leer, seltsam anders gestaltet oder besser entleert.

Wenn Menschen todkrank sind oder sterben, dann geben Seelsorger:innen ihnen manchmal ein kleines Holzkreuz; es passte sich in die Hand – ein Festhaltekreuz. Auch bei meiner Mutter vor fünf Jahren habe ich es so gehalten. Ein Kreuz, das Halt gibt, etwas zum Festhalten. Gerade dann, wenn es um Loslassen geht, braucht ich Halt. Es klingt paradox: Halten, Lassen, mich verlassen (auf).

Wenn ich Bilder sehe von US-amerikanischen Massengräbern für die COVID-19-Opfer; wenn ich Berichte schaue über die Situation auf den griechischen Inseln; wenn ich die Ängste höre von Kurzarbeitenden oder Selbstständigen; wenn Menschen die Einsamkeit dieser Tage erleiden; wenn Pflegende und Helfende an ihre Grenzen kommen – die Frage: Woran soll ich mich halten? Was gibt mir Halt, was Kraft, was Mut weiterzumachen?

Gottverlassen schreit Jesus am Kreuz (vgl. Mt Kapitel 27, 46) den Schrei all dieser, aller Menschen. Doch sein elender Schrei ist ein Gebet: Warum, Gott?

Menschen haben einen Haltewunsch in diesen Tagen – heute. Habe ich ein Kreuz daheim, irgendwo an der Wand oder in einer Schublade? Karfreitag lädt ein, es in die Hand zu nehmen. Anschauen. Fühlen. Drücken. Mein Halt(e)wunsch, wie sieht er aus…?

Der betende Mensch in der Bibel gibt seine Antwort: …an dich will ich mich halten, Gott, du bist schützende Burg (vgl. Psalm 59,10). Das Kreuz Jesu nehme ich fest in die Hand. Ich halte mich daran. Worte habe ich kaum. Du kennst mich, Gott. Halt bei mir aus – gerade jetzt. Gib auch Halt den anderen. Amen.